Knut Cordsen,
der Kultur-Connaisseur
Gefragtes Jurymitglied (Bayerischer Buchpreis, Deutscher Buchhandlungspreis), Sprachliebhaber (Stand jetzt: Aus dem Wörterbuch meiner Mitmenschen), Moderator und Literaturkritiker - jahaaa, was denn noch alles?! Juror des Deutschen Popliteraturpreises 2026. Das setzt dem Fass die Krone auf und passt wie angewurzelt.
Popliteratur in drei Worten: Ihrer Zeit verhaftet
Du bist jetzt Juror beim Deutschen Popliteraturpreis. Werden wir dadurch seriöser oder wirst du dadurch unseriöser?
Im besten Fall profitieren beide Seiten davon. Seriös zu sein, ist wichtig. Nicht minder wichtig aber scheint es mir, nervös zu sein und sein Leben lang zu bleiben. Robert Walser hat darüber ein schönes Feuilleton geschrieben.
Wir haben den Preis gegründet, weil wir keine Lust mehr auf Mittelmaß, Moden und en vogue-Themen hatten. Wie sorgst Du als Juror dafür, dass wir nicht in dieselbe Falle tappen?
Indem ich meinen eigenen, selbstgestellten Regeln in der Beurteilung von Literatur folge.
Geht Dir die deutsche Vorliebe für Innenschau und die Annahme, das Seelenleben des Einzelnen müsse alle interessieren, genauso auf die Nerven wie uns?
Ich fürchte, das ist ein Klischee. Oder ein kaum beachteter Exportschlager des einstigen Exportweltmeisters Deutschland: Introspektion ist unter Literaten weltweit beliebt.
Popliteratur ist nicht nur die historische Strömung um Kracht, Hennig von Lange oder Nickel, sondern vor allem eine Schreibweise, die lesbare, experimentelle und auf mehreren Ebenen genießbare Texte hervorbringt – eine Form, die längst allgegenwärtig ist und doch unterschätzt bleibt. Wir wollen Popliteratur auszeichnen, profilieren und im Kanon der Gegenwartsliteratur etablieren. Wie, glaubst Du, könnte die Popliteratur von heute aussehen?
Eure Frage beinhaltet schon die Antwort. Ich ergänze als alter Anhänger Jacques Lacans nur noch angeberisch das Wort "jouissance". Jeder googele selbst, was er damit meinte.
Worauf wirst Du bei den eingesendeten Texten besonders schauen?
Ein Punkt, der mir in der Literatur wahnsinnig wichtig ist: korrekte Rechtschreibung.
Du liest als Kritiker viel Gegenwartsliteratur. Was ist für dich der Sound unserer Zeit, und wie schlägt er sich in Texten nieder?
Ach, "Der Klang der Zeit", so heißen doch nur dickleibige amerikanische Romane. Ich bin ein Freund der Polyphonie und schrecke deshalb davor zurück, die vielen unterschiedlichen Stimmen, die es in der Gegenwartsliteratur gibt, auf einen Nenner bringen zu wollen. Das ist so ein Journalistensport, immerzu irgendwelche Strömungen oder Trends erspüren zu wollen. Mittlerweile muss ich selbst lachen, wenn ich "Bei drei ist es ein Trend" sage.
Welche Sätze sind für Dich die hässlichsten – und welche die schönsten –, die Du je gelesen hast?
Mit dem Hässlichen will ich mich gar nicht lang aufhalten. Ich bin fürs Schöne: "Never say you know the last word about any human heart!" (Henry James, "Louisa Pallant"). Darf man meiner Meinung nach nur im englischen Original zitieren.
Stell dir vor, du dürftest eine literarische Figur auf ein Popkonzert mitnehmen. Wen würdest du wählen? Wen würdet Ihr zusammen sehen?
Ich gestehe: Ich gehe nahezu nie auf Konzerte. Disqualifiziere ich mich damit als Juror?
Woran erkennst du, ob ein Text „pop“ ist?
Das ist eine Frage, die ich tatsächlich nur am jeweiligen Text beantworten kann. Die Zuschreibung "pop" ist so ungefähr wie "camp" von Susan Sontag selig.
Welches Klischee über Popliteratur nervt dich am meisten?
'Da geht's immer nur um Musik.'
Popliteratur in drei Worten – was fällt dir spontan ein?
Ihrer Zeit verhaftet
Gibt es Popkultur-Trends, die besser nicht literarisch verarbeitet werden sollten?
Wer bin ich, hier Verbotsschilder aufzustellen! Nein. Alles kann, nichts muss.
Ich finde es nachgerade lächerlich, als Kritiker an die Texte von Autorinnen und Autoren irgendwelche Anforderungen zu stellen. Das sind doch keine Bewerbungsschreiben!
Was muss ein Text haben, um dich wirklich zu überraschen?